2019 | Le souffle du temps II - Réflexion

le souffle du temps II – Réflexion“ & Morton Feldman's Triadic Memories (1981)

Beitrag SRF, Beat Vogt Interview

2017 erschien Judith Wegmanns Solo-Album "le souffle du temps" mit 10 Konzept-Kompositionen und Improvisationen bei HatHut Records, das international u.a. im the guardian (UK), im Fono Forum (D) und im theWire (UK) gelobt wurde.

Diese Einspielung hat die Pianistin weiter entwickelt. Sie beauftragte die sieben Schweizer Komponisten; Hans Koch, Daniel Andres, Luzia von Wyl, Tobias Meier, Cyrill Lim, Edu Haubensak und Kevin Juillerat/Benoît Renaudin, über ihre 2017 erschienene CD je ein Werk – quasi als Reflektion – zu komponieren. Mit diesem Solo-Programm "le souffle du temps II - Réflexion" ist die Pianistin seit Februar 2019 national und international unterwegs.

Mit „le souffle du temps II – Réflexion“ und Morton Feldman's Triadic Memories (1981) kreisen zwei Konzertabende rund ums Thema „Zeit“. Damit setzt sich die Pianistin seit längerem intensiv auseinander, forscht und lotet verschiedene Bereiche und Grenzbereiche in Projekten aus. Dieses Thema wurde immer mehr ein wichtiger Teil ihres künstlerischen Schaffens. Und sie stellt es in unterschiedliche Kontexte. Sei es mit Aufführungen von Performances mit einer Dauer von 24 Stunden, oder als intensive Auseinandersetzung mit Feldmans Werken, sowie die erste Solo CD-Einspielung, wo sie während Wochen ohne Kontakt zur Aussenwelt die 10 Stücke in ihrem Atelier einspielte. So stellt sie nicht grundlos die beiden Abende zu einem Doppelkonzert zusammen.

Programm „le souffle du temps II – Réflexion“

Hans Koch | l’ombre du jour
Réflexion I
Daniel Andres | 5 souvenirs d’un instant
Cyrill Lim | weben
Edu Haubensak | Manga
Réflexion II
Luzia von Wyl | cloches
Kevin Juillerat/Benoît Renaudin | nsjt
Réflexion III
Tobias Meier | Erinnerung – Transformation
Hans Koch | l’ombre de la nuit

Trailer by Daniel Bleuer und Simon Fankhauser

Triadic Memories (1981) – Ein Stück Ewigkeit von Morton Feldmann

In Feldmans Komposition „Triadic Memories“ verschwimmen die Relationen der Zeit, so dass die Zuhörer in eine neue Welt der Wahrnehmung von Zeit und Klang geführt werden. Mit seinem Aki Takahashi und Roger Woodward gewidmeten »Triadic Memories« hinterließ Feldman den Pianisten ein Werk, das sie die feinsten Klangabstufungen und zartesten Töne bis zum Pianissimo dem Klavier entlocken lässt.
Wo es um das Entstehen, Vergehen und ineinander klingen der Töne geht - in eine Weite der Stille. Nur mit wenigen Tönen beginnt das Werk, wie es der Titel der Komposition beinhaltet, die sich im Verlauf des Stückes wie Sprossen zu verzweigen beginnen – aus dem sich die gesamte Komposition entfaltet. Während dem ganzen Werk wird das rechte Pedal des Flügels zur Hälfte gehalten, so dass die Töne ineinanderfliessen und auch der angeschlagene Ton noch lange nachhorchen lässt.

„Triadic Memories“ lässt uns erinnern, wieder vergessen, aber auch erahnen vom Kommenden, in einem Zustand wo die Zeit nicht mehr als Zeit wahrnehmbar wird, - wenn wir uns darauf einlassen und in Staunen versetzen lassen. Das lässt uns auch erahnen, was Ewigkeit sein könnte.
Auch in Morton Feldmans Werken spielt das Bewusstwerden der Zeit eine zentrale Rolle.

Das live visuelle Design für die beiden Abende hat Stephan Hostettler gestaltet.

Art und Grafikdesign by Miriam Affolter, Atelier Komma Biel.

Kritik über das Konzert im Kunsthaus Zug: (von Adrian Hürlimann ZZ April 2019)

Ein Parforceritt ohne Pause

Zug, Am Wochenende gastierte Judith Wegmann mit zwei unterschiedlichen Konzerten im Kunsthaus

Dass Judith Wegmann eine vielseitige Pianistin und Musikerin ist, dass die heute in Biel lebende sich für keine Experimente zu schade ist, das weiss man nicht nur hierzulande. Dass sie mit einem Romantik Programm ganze Kirchen füllen und begeistern kann, ebenfalls. Wenn sie aber ihrer eigentlichen Profession, der Avantgarde, nachgeht, dann folgt ihr ein kleinerer Kreis Neugieriger, die dabei allerdings eine ganz unerwartete Erfahrung machen.

So geschah es auch bei ihren zwei Konzerten im Kunsthaus, die Teil einer Europa-Tournee bilden und an ihre Konzepte von „le souffle du temps“ anknüpfen, die in ihrer CD von 2017 festgehalten sind. Im Solokonzert vom Samstag stellte sie sieben Auftragskompositionen vor, welche sie in einem Parforceritt ohne Pause mit Improvisationen zu einem rundum gelungenen Klangereignis verschmolz.

Reiche Klangplatte pianistischer Technik

Über den Flügel gebeugt, hantierte sie zu Beginn mit Kugeln, Darmbögen, Schraubklemmen und allerhand analogen Verfremdungsutensilien, die sie alsbald mit der reichen Klangpalette pianistischer Technik in einen spannenden Dialog verwickelte.

An Tier- oder Regengeräusche erinnernd, setzte sie diesem eher dramatischen Geschehen die ausufernde Mehrstimmigkeit in impressionistischer Klangkultur entgegen. Mal betrat sie mit Gongs meditative Sphären, entfaltete dann wieder mit orgiastischen Clusterattacken veritable Gewitterszenen und gestaltete überhaupt ein zusammenhängendes, abendfüllendes Tongeschehen, das für die Zuhörende die Wirkung eines akustischen Spielfilm hatte.

Es blieb aber nicht bei der gewohnten Klangsprache zeitgenössischer Klaviermusik, wie man sie von John Cage oder Morton Feldman her kennt (ihm widmete Wegmann das Konzert vom Sonntag), sondern überrascht mit Feedback-Techniken, mit Sampling, Verfremdung und Echo aus dem Laptop und allerhand kleinen, handlichen Geräten, welche der Solistin als Dialogpartner assistierend und verstärkend zur Seite standen und sie zum Zwiegespräch herausforderten.

Wobei diese programmierte Überraschung nicht nur beim Publikum, sondern auch bei der Solistin selbst den Eindruck einer künstlichen Intelligenz aufkommen liess.

Der Atem der Zeit empfinden und darüber reflektieren ist aber vorderhand nur dem Menschen möglich, und interessant und bewegend werden abstrakte Konzepte und Algorithmen erst, wenn eine Künstlerin, wie hier am Werk ist. Fühlt, disponiert und vollzieht.

To perceive and to reflect upon "The breath of time" is only possible for mere mortals. Only when such an artist is at work can abstract concepts and algorithms become interesting and moving - to feel, adapt and execute.

Diejenigen, die sie auf ihre Reise mitgenommen hat, sind das Wagnis gern eingegangen und haben es nicht bereut.

Premiere | La Voirie Biel Februar 2019
Konzert Tinguely Museum Basel
Tonstudio mit Simon Fankhauser
Pallesiaus Dvaras Litauen
Litauen
Kunsthaus PasquArt Biel